Freitag, 4. September 2009

150 Sekunden Ruhm


Gestern stand ich wieder auf der Bühne. Man muss einfach mehr auf Bühnen sein und weniger davor und dahinter! Simone Kaempf schreibt in der nachtkritik, die Bühne sei, aufgrund des Formates, selbstverständlicherweise voller Selbstdarsteller gewesen. Das ist natürlich richtig, aber das war ja wohl vorher klar und daher auch kein Problem. Zumindest habe ich das so empfunden und die Leute, mit denen ich gesprochen habe, waren ebenfalls sehr positiv gestimmt. So, wie ich den Text verstehe, hat Frau Kaempf ihre Kritik aber auch nicht vernichtend gemeint, eher im Sinne von "Es ist nicht alles Kunst, was auf einer Bühne passiert"...

Es ist schon krass, wenn dich 800 Menschen anstarren und tuscheln, weil sie denken, du hättest deinen Text vergessen. Hatte ich natürlich nicht; es war der Plan, auf die Bühne zu kommen und nach Schlag-auf-Schlag-150-Sekunden-Action eine plötzliche einminütige Stille zu erzwingen. Das war der Plan des Regisseurs. Ich wollte noch etwas Anderes ausprobieren, und zwar, durch gespielte Unsicherheit Mitleid, Fremdschämen oder Verachtung hervorzurufen, eine Emotionalität hervorzukitzeln, die in einem verlachten Abend nicht oft eine Chance bekam. Ich weiß nicht, ob es für jeden funktioniert hat, aber für einige offensichtlich schon, nach dem Getuschel, von dem mir meine strategisch im Publikum verteilten Freunde berichteten: "Oh mein Gott, guck mal, die hat Angst!"

Nach einer Minute gab mir ein strategisch verteilter Freund ^^ ein Zeichen durch einen Zwischenruf, ich holte tief Luft und begann mit dem Sein-Oder-Nicht-Sein-Monolog, gleichzeitig mit meinen gesammelten strategisch verteilten Freunden, die sich aus dem Publikum erhoben und aus Leibeskräften mitdeklamierten. - Wir haben einige Leute ganz schön erschreckt...!

Womit ich nicht gerechnet hatte, war die Intensität des Nacktseins in meiner Minute der Einsamkeit. Ich weiß zwar, dass ich nicht wirklich einen Blackout habe oder einen Texthänger, aber die Reaktionen sind dieselben, und ich hätte gedacht, dass mich das Wissen um den Fake vor ihnen schützt - das ist nicht der Fall gewesen. Ich habe mich trotzdem sehr verloren gefühlt. Da ich das wunderbar für mein Spiel nutzen konnte, betrachte ich dies allerdings im Rückblick als Vorteil.

Fazit: Hat echt Laune gemacht!

...


edit: Gestern Nacht in der Hitze des Gefechts Selbstbeweihräucherungsparagraphen verfasst - heute bin ich im doppelten Sinne nüchterner. Die Kritiken sind generell nicht besonders, wobei meistens kritisiert wird, dass die ganze Nummer wenig mit Theater und viel mit PR zu tun hatte. *Duh!* Das war doch von vorneherein klar!!! Zum Nachlesen die Artikel der Kieler Nachrichten, der Hamburger Morgenpost, des Hamburger Abendblatts, der taz und ein Beitrag des Deutschlandradios mit zwei in ihren Meinungen über den Abend differierenden Theaterkritikern im Interview.

Ich hatte jedenfalls einen tollen Abend, weil ich Spaß hatte und weil ich etwas gelernt habe. Beim Spielen. Da freut man sich doch.


Q: http://blog.david-stingl.de/wp-content/uploads/2008/04/bloggers-dilemma.jpg


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